10 Jahre Förderkreis Hospiz Kinzigtal
„Auf einer Woge gesellschaftlicher Solidarität“
Interview der „Gelnhäuser Neuen Zeitung“ mit dem Gründungsvorsitzenden Rolf Heggen
GNZ: Herr Heggen, herzlichen Glückwunsch zum kleinen Jubiläum des Förderkreises Hospiz Kinzigtal. Sie sind von Anfang an der Vorsitzende. Was hat Sie denn 2014 bewogen, Gründungsvorsitzender eines Förderkreises zur Errichtung eines Hospizes zu werden?
Rolf Heggen: Gute Frage. Hat mir meine Frau damals auch gestellt. Aber die Frage muss etwas anders lauten: Wer hat mich bewogen? Und da ist die Antwort ganz eindeutig: Eugen Glöckner, damals Verwaltungsdirektor im Main-Kinzig-Kreis, Stadtrat in Gelnhausen und Ehrenamtler in der Katholischen Kirche…
…und ein guter Freund von Ihnen?
Wir kannten uns bis dahin gar nicht. Deshalb hat es mich so überrascht, dass ich eines schönen Abends im Januar 2014 telefonisch gefragt wurde, ob ich am nächsten Tag zu einem Treffen mit einigen weiteren Personen in ein Gelnhäuser Restaurant kommen könnte. Und da waren dann sechs mir persönlich ebenfalls nicht bekannte Frauen und Eugen Glöckner, die miteinander diskutierten, wer denn Vorsitzender oder Vorsitzende eines noch zu gründenden Fördervereins zum Aufbau eines Hospizes im Altkreis Gelnhausen werden könnte. Alle nannten Gründe, warum sie das nicht machen könnten. Mir ist auf die Schnelle kein Grund eingefallen.
Eugen Glöckner bedrängte mich dann geradezu, mich zur Verfügung zu stellen, ich sei als Journalist genau der richtige Mann für diese Aufgabe. Neben mir saß Ina Löber, die ich ebenfalls gerade erst kennengelernt hatte, stieß mich mit zarter Faust in die Rippen und flüsterte mir ins Ohr: „Sie machen das!“ Dem Charme meiner Sitznachbarin und der Hartnäckigkeit von Eugen Glöckner bin ich dann erlegen. Allerdings konnte ich schon immer schlecht „Nein“ sagen.
Das klingt ja geradezu nach Überrumpelung. Haben Sie es jemals bereut, dass Sie sich damals breitschlagen ließen?
Nicht einen Tag, nicht eine Stunde, nicht eine Minute – über alle zehn Jahre hinweg. Allerdings hatte ich zunächst große Zweifel, ob ich der Aufgabe und den Erwartungen überhaupt gerecht werden könnte. Alles war für mich Neuland. Ich hatte noch nie ein Hospiz gesehen und war erst wenige Wochen zuvor bei der Informationsveranstaltung von Hannelore Koperski, Olga von Lilienfeld-Toal, Stefanie Ross und Elfriede Seipp in der Gelnhäuser Stadthalle mit dem Thema in Berührung gekommen. Besonders beeindruckt hatte mich der Vortrag von Prof. Dr. Holger Kaesemann über die Hintergründe, Inhalte und Ziele der Hospizbewegung. Meine Frau und ich waren überzeugt, dass es sehr sinnvoll sei, den Aufbau eines Hospizes zu unterstützen. Allerdings erwähnte Kaesemann auch, dass es alles andere als leicht sei, ein Hospiz zu gründen. Man müsse mit mindestens zehn Jahren harter Arbeit rechnen.
Trotzdem haben Sie sich dann zur Verfügung gestellt. Was war denn letztlich Ihre Motivation?
Ich hatte rund zwanzig Jahre zuvor an meinem Wohnort Linsengericht-Großenhausen einen Tennisverein gegründet mit dem Ziel eine moderne Anlage mit fünf Kunstrasen-Plätzen zu errichten. Auch da wurde von vielen angezweifelt, ob ich dieses Ziel jemals erreichen würde. Tatsächlich wurde es dann ein vierjähriges hartes Ringen mit vielen Behörden bis zur Baugenehmigung. Das hat mir Mut gemacht, nun wieder eine neue ganz andere Aufgabe anzunehmen. Neues zu wagen hat mich schon immer angetrieben.
Dann war die Zeit bis zur Eröffnung des Hospizes im Sommer 2017 ja wesentlich kürzer als die Zeit bis zur Eröffnung der Anlage des Tennisclubs am Spessart Großenhausen. Der Hospiz-Experte Prof. Kaesemann hatte von zehn Jahren gesprochen. Wie konnte es dem Förderkreis Hospiz Kinzigtal in nur gut drei Jahren gelingen?
Wieder eine gute Frage. Fragen wir uns im Vorstand des Förderkreises immer noch. Wir haben ja wirklich in allen Belangen bei null angefangen. Keinerlei Expertise in unseren Reihen. Gerade mal 12 Gründungsmitglieder. Eine schwarze Null in der Vereinskasse. Keine Pläne, wo, wie und wann denn ein Hospiz errichtet werden könnte. Nicht mal eine Untersuchung, ob überhaupt ein Bedarf für ein weiteres Hospiz neben Hanau im Main-Kinzig-Kreis bestehe. Nach einer solchen Bedarfsermittlung hatten der damalige MKK-Gesundheitsdezernent Matthias Zach und der damalige Leiter des Gesundheitsamts Dr. Giernat gefragt, als Stefanie Ross und ich mit unserer Vorstellungstournee im Kreis, in Städten und Gemeinden, Banken, Unternehmen, Verbänden und Vereinen begannen. Über eine Bedarfsermittlung hatten wir bis dahin nicht einmal nachgedacht. Die beiden Herren im Kreishaus schauten sich vielsagend an und schüttelten die Köpfe. Und auch andernorts war man zum Teil sehr skeptisch, ob das jemals was werden würde.
Aber es muss doch auch positive Reaktionen auf die Vereinsgründung gegeben haben?
Ja, zum Glück, und auf sehr breiter Basis. In den örtlichen Medien, also auch in der GNZ, wurde der Start bestmöglich begleitet. Schon eine Woche nach der Vereinsgründung hatten sich 100 zahlende Mitglieder angemeldet. Thorsten Stolz, der damalige Bürgermeister von Gelnhausen, kam auf uns zu und hatte eine Idee, wo wir eine Heimstatt für unser Hospiz finden könnten. Die Diakonie in Frankfurt/Main, die Caritasverbände Fulda und Main-Kinzig in Hanau nahmen Kontakt auf. Und schon wenige Wochen nach unserer Gründung und nach einigen Treffen in Gelnhausen und Fulda schwebten wir auf Wolke Nr. 7: Alles war unter Dach und Fach: Das zukünftige Hospiz wird im Schlosspark Meerholz entstehen – im noch leerstehenden Erdgeschoss des Neubaus des diakonischen Pflegeheims, ein geradezu idealer Ort in bester Lage.
Doch dann kam es anders?
Ja, leider. Fünf Monate später, im November 2014, machte die Diakonie, die auch in die Trägerschaft des Hospizes einsteigen wollte, einen Salto rückwärts. Da lagen bereits sehr umfangreiche, detaillierte und äußerst überzeugende Pläne des Architekten vor. Wir waren wirklich fassungs- und ratlos.
Warum dieser plötzliche Rückzieher?
Das wissen wir bis heute nicht genau. Die beiden Geschäftsführer sprachen von unerwartet anderen Plänen des Vorstands.
Wie ging es dann weiter?
Wir waren dann wieder voll auf der Suche nach einem Standort, haben Möglichkeiten in Gelnhausen, Bad Soden-Salmünster und Bad Orb in Erwägung gezogen, viele Gespräche vor Ort geführt. Dann kam im Januar 2015 die neue Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler auf uns zu und brachte das schon länger leerstehende ehemalige Kreisruheheim in der Gelnhäuser Altstadt ins Gespräch. Bei einer ersten Besichtigung des alten Sandsteingebäude sind Eugen Glöckner und ich nicht gerade in Euphorie verfallen. Das Gebäude wirkte innen mit dunklen Gängen und Zimmern und einem feucht-modrigen Geruch alles andere als einladend. Und unsere vier Initiatorinnen waren geradezu geschockt: „Da kann man doch kein Hospiz draus machen.“
Was hat Sie dann dennoch überzeugt?
Eines schönen Freitag nachmittags kam ein Anruf von Landrat Erich Pipa. Ob ich mal kurz ins Landratsamt kommen könnte. Eine halbe Stunde später fragte mich Pipa als Erstes, ob ich mir für den Förderkreis vorstellen könnte, zwei Millionen Euro vom Kreis zu erhalten, um das Kreisruheheim innen von Grund auf zu sanieren. Das fand ich auf Anhieb überzeugend.
Ihre vier Initiatorinnen auch?
Nicht wirklich. Aber Eugen Glöckner und ich hatten schließlich zwei gewichtige Argumente. Ein Standort war gefunden und – vor allem – die Finanzierung für den Aus- und Umbau war gesichert.
Es gab dann keine weiteren Rückschläge?
Wolke 7 hatte uns nun wieder. Wir waren nach nur gut einem Jahr schon auf der Zielgeraden unseres am Anfang so völlig vagen Vorhabens. Auf unserer Mitgliederversammlung Ende März 2015 im voll besetzten Kaisersaal von Schloss Meerholz konnten wir jedenfalls gemeinsam mit Susanne Simmler verkünden: Der Hospiz-Standort ist gefunden – das imposante, über 100 Jahre alte Sandsteingebäude in der Holzgasse 23 in Gelnhausen. Unsere Mitgliederzahl verdreifachte sich, auch Städte und Gemeinden traten dem Förderkreis bei und das Laufteam Gelnhausen sorgte für die erste Spendenaktion
Dann war alles in trockenen Tüchern?
Leider noch nicht ganz. Denn natürlich ist bei einem so alten klassischen Gebäude auch immer der Denkmalschutz ein gewichtiges Thema. Wir lernten dann sehr schnell die Unterer Denkmalschutzbehörde für den Main-Kinzig-Kreis in Gelnhausen und das Landesamt für Denkmalschutz Hessen in Wiesbaden kennen, als wir unsere Pläne vom Aus- und Umbau des Gebäudes pflichtgemäß vorstellten. Es ging darum, dass wir für den wirklich achtsamen Betrieb eines Hospizes einen Anbau für einen Aufzug und für eine Terrasse benötigten. Auch nach mehreren Treffen vor Ort mochten die Damen und Herren des Denkmalschutzes keine Zustimmung erteilen. Doch ohne die beiden Anbauten wäre ein Hospiz in der Holzgasse nicht möglich gewesen. Wir hätten alles wieder absagen müssen. Dies teilte ich in einem Vier-Augen-Gespräch auch der zuständigen Abteilungsleiterin des Landesamts für Denkmalpflege Hessen in Wiesbaden mit, erwähnte dann noch beiläufig, dass ich eine entsprechende Pressemitteilung herausgeben müsste: „Denkmalschutz verhindert Hospiz.“ Zum Glück war die sehr nette Dame keine Freundin von Pressemitteilungen….
Die Holzgasse wurde also nicht zum Holzweg?
Ja, nett formuliert. Uns im Vorstand fielen im Oktober 2015 gewaltige Felsbrocken von den Herzen. Unsere Vision von 2014 konnte 18 Monate später endgültig Realität werden. Im April 2016 wurde die Baugenehmigung erteilt für Um-, Aus- und Anbau. Bauleiter Klaus Schäfer legte sich sofort voll ins Zeug, wovon wir uns bei zahlreichen Baubesprechungen mit Bauunternehmen und Handwerkern ständig überzeugen konnten.
Wurden denn bei der so aufwändigen Sanierung und kompletten Erneuerung Zeit- und Kostenrahmen eingehalten?
Bei der Zeit ja, bei den Kosten nicht ganz. Und da sind wir dem Landrat, dem Kreisausschuss und dem Kreistag besonders dankbar, dass mehrfach noch zusätzliche Ausgaben schnell und so unbürokratisch wie möglich bewilligt wurden.
Statt der prognostizierten zehn Jahre hat es ja nur gut drei Jahre von der Gründung des Förderkreises im Februar 2014 bis zur Einweihung des Hospizes im Mai 2017 gedauert. War es also leichter, ein Hospiz in Gelnhausen zu errichten als eine Tennisanlage in Großenhausen?
Ja, tatsächlich. Das ist aber sehr vielen glücklichen Umständen und der phänomenalen Unterstützung durch Politik, Wirtschaft, Medien und vielen, vielen Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft geschuldet. Wir wurden und werden von einer in diesem Ausmaß nicht für möglich gehaltenen Woge der gesellschaftlichen Solidarität getragen. Dafür können wir gar nicht dankbar und demütig genug sein.
Was meinen Sie mit glücklichen Umständen?
Zur richtigen Zeit immer die richtigen Menschen gefunden zu haben. Das begann mit der Besetzung unseres fünfköpfigen Vorstands und unseres Beirats, mit der Führungsriege des Main-Kinzig-Kreises, mit der Geschäftsführung der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises, mit der Übernahme der Trägerschaft für das Hospiz durch den Caritasverband Fulda und den Caritas-Verband des Main-Kinzig-Kreises, die beide auch gemeinsam mit dem Förderkreis Gesellschafter der Hospiz St. Elisabeth Kinzigtal gemeinnützige GmbH sind, mit der Bestellung unseres Hospizleiters Frank Hieret, mit den überaus qualifizierten Pflegefachkräften im Hospiz-Team und mit noch vielen mehr. Auch dafür sind wir im Vorstand des Förderkreises, dem aktuell neben mir und Stellvertreter Eugen Glöckner als Schatzmeisterin Claudia Schaal, als Schriftführer Oliver Kauer-Berk und als Beisitzer Frank Hieret angehören, von ganzen Herzen dankbar. Wir alle empfinden unsere ehrenamtliche Arbeit als großes Geschenk.
Mit der Einweihung des Hospizes im Mai 2017 waren ja die bei der Gründung des Förderkreises formulierten Ziele – Finden eines Standorts und Errichtung eines Hospizes – definitiv erreicht. Hatte der Förderkreis damit nicht seine Schuldigkeit getan?
Ja, könnte man denken. Aber um das Hospiz in der Gesellschaft fest zu verankern und es verlustfrei zu betreiben war der Förderkreis weiter gefordert, mit permanenter Öffentlichkeitsarbeit zum Beispiel, mit Benefiz-Veranstaltungen, Mitgliederwerbung, Spendeneinwerbung, Ausgleichen der Deckungslücke zwischen der 95-prozentigen Kostenerstattung für die Aufenthalte der Gäste im Hospiz durch die Krankenkassen und den tatsächlichen Tageskosten von derzeit 540 Euro. Pro Gast und Tag steuert der Förderkreis also 27 Euro bei.
Mit nun mehr als 600 Mitgliedern, darunter alle 29 Städte und Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis, mit 18 Zimmer-Patenschaften und mit insgesamt mehr als 3.000 Unterstützern und Spendern in den jetzt zehn Jahren erzielt der Förderkreis ja gewiss beträchtliche Einnahmen. Was steht neben dem Zuschuss der Tageskosten für die Gäste auf der Ausgabenseite?
Besonders wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Hospizdienst in Hanau, die sich um die ambulante Hospizarbeit und die Ausbildung von ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und -helfern kümmert. Der Verein ist auf Spenden angewiesen und da springen wir mit ein. Auch bei der Erfüllung aller speziellen Wünsche der Hospiz-Gäste und ihrer Angehörigen, ob es nun um besondere Verpflegung oder um einen letzten Besuch eines Spiels der Frankfurter Eintracht im Waldstadion geht, sind wir zur Stelle. Da arbeiten wir auch eng mit dem Verein „Wunsch am Horizont“ in Schöllkrippen zusammen, den wir ebenfalls finanziell unterstützen. Sehr engagiert kümmern wir uns um die ständige Fortbildung der Pflegekräfte im Hospiz, was ja auch unseren Gästen und ihren Angehörigen zugutekommt. Wir finanzieren eine regelmäßige Musik-Therapie und eine Hunde-Therapie für unsere Hospiz-Gäste, was ebenfalls sehr dazu beiträgt, den letzten Tagen im Hospiz so viel Leben wie möglich zu geben. Auch für die Finanzierung besonderer Wünsche des Hospizteams, die bei der täglichen Arbeit hilfreich sind, stehen wir stets zur Verfügung.
Also geht die Arbeit dem Förderkreis nicht aus?
Ja, und das ist auch gut so.
Gibt es denn zum zehnjährigen Bestehen des Förderkreises eine Jubiläumsfeier?
Ja, am 17. April, 18 Uhr, im Barbarossa-Saal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen. Dazu laden wir nicht nur alle Mitglieder und Unterstützer des Förderkreises ein sondern auch alle, die sich über Hospizarbeit informieren möchten, etwa über die Musik- und Hunde-Therapie und über die Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizhilfe.