Bestens untereinander vernetzt: Monika Dietz-Geis, Frank Hieret, Susanne Simmler, Annette Böhmer, Prof. Dr. Holger Kaesemann, Dr. Gerd Lautenschläger
Netzwerk für mehr Leben in den letzten Tagen
Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion des Förderkreises Hospiz Kinzigtal
In der Gelnhäuser Neuen Zeitung vom 13. März 2020 berichtete Joachim Ludwig über eine sehr gut besuchte Veranstaltung im Bürgerforum des Main-Kinzig-Kreises: Unter dem Titel „Hospiz ja, aber wann?“ hatten auf Einladung des Förderkreises Hospiz Kinzigtal in Gelnhausen Vertreter der stationären und ambulanten Palliativmedizin und des Hospizwesens sowie Förderkreis-Botschafterin Susanne Simmler unter der Moderation von Förderkreis-Beirat Prof. Dr. Holger Kaesemann über die Inhalte, Strukturen, Abläufe und Verbesserungspotenziale diskutiert.
„Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Alten und Kranken umgeht“, sagte die Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler, die von Anfang an maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Arbeit des Förderkreises Hospiz Kinzigtal mit der Eröffnung des Hospizes St. Elisabeth Kinzigtal in der Gelnhäuser Altstadt vor rund zweieinhalb Jahren hatte. In der ambulanten wie stationären Arbeit werde Vorbildliches geleistet und – auch mit Hilfe des Förderkreises – finanziert. Nun müsse man sich dafür einsetzen, diese großartige Pflege an Körper und Geist sowie die besondere Betreuung der Angehörigen auf die Alten- und Pflegeheime ausweiten zu können. Deshalb regte Susanne Simmler an, gemeinsam mit dem Förderkreis Hospiz eine Online-Petition zu erstellen, um auf Gesetzgeber und Kostenträger entsprechenden Druck auszuüben. Der Kreis unternehme schon sehr viel, um wesentliche Verbesserungen bei der Betreuung von alten und/oder kranken Menschen zu erreichen.
In der regen Diskussion, von Prof. Dr. Kaesemann überaus sachkundig und sehr einfühlsam moderiert, wurde deutlich, wie umfangreich und eng verwoben das Netzwerk der in verschiedenen Bereichen tätigen Einrichtungen bereits ist.
Annette Böhmer leitet mit der Arbeitsgemeinschaft Hospizdienst Hanau/Main-Kinzig (AGH) rund hundert Ehrenamtliche, die sich im psychosozialen Dienst engagieren, unter anderem auch im Gelnhäuser Hospiz. Außerdem bildet die AGH kontinuierlich weitere Hospizhelfer aus und wird dabei vom Förderkreis Hospiz Kinzigtal auch finanziell unterstützt.
Das Netz für mehr Leben im Main-Kinzig-Kreis
Ambulant
Palliativteam Hanau/MKK (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung) Hanau und Bad Soden-Salmünster;
Hospizdienste: AGH/Caritas Main-Kinzig; Martin Luther und Althanauer Hospital Stiftung Hanau und Gelnhausen; Lichtbogen Wächtersbach; Kinderhospizdienste Hanau und Gelnhausen; Hausärzte; Pflegedienste; Allgemeine Ambulante Palliativversorgung
Stationär
Palliativstation Main-Kinzig-Klinik Schlüchtern; Onkologische u. Palliativstation St. Vinzenz, Hanau; Hospiz Louise de Marillac Hanau; St. Elisabeth Hospiz Kinzigtal Gelnhausen
Als Geschäftsführer des Palliativteams Hanau sorgt Dr. med. Gerd Lautenschläger mit seinen Mitarbeitern für die spezielle ambulante ärztliche Versorgung der Menschen, deren Leiden nicht mehr geheilt, sondern nur noch gemindert werden kann, tagtäglich rund um die Uhr. Die mobilen Ärzte kommen auch ins Gelnhäuser Hospiz, wo sich Leiter Frank Hieret mit seinem Team stationär um die hier „Gäste“ genannten Menschen auf ihrem letzten Lebensweg kümmert. Die im Januar 2019 eröffnete Palliativstation Schlüchtern ergänzt das Angebot mit medizinischer Versorgung im Krankenhaus, wie die Pflegerische Leiterin Monika Dietz-Geis, auch Beirätin im Förderkreis Hospiz Kinzigtal, ausführlich darstellte, nicht zuletzt auch in akuten Fällen, in denen „die Symptome aus dem Ruder laufen“.
Im stetig wechselnden Gespräch machten die Diskutanten deutlich, wie eng das Betreuungsnetz für schwerkranke Menschen gerade im Main-Kinzig-Kreis geflochten ist und wie gemeinsam in bester Zusammenarbeit nach dem jeweils besten Platz gesucht werden kann. Zudem werden seit Beginn dieses Jahres in Wächtersbach und in Gelnhausen „Letzte-Hilfe-Kurse“ angeboten, um sich auf das Abschiednehmen vorbereiten zu können.
In den vergangenen Jahren habe sich zwar sehr viel bewegt, betonte Annette Böhmer, doch die Möglichkeiten der palliativen und hospizlichen Betreuung auf dem letzten Lebensweg müssten in der Öffentlichkeit noch viel präsenter werden. „Mein Wunsch ist es, dass bald jeder die letzten Tage seines Lebens so verbringen kann, wie er es gerne möchte“, sagte Annette Böhmer. Der Weg dahin sei aber noch weit.
Doch man ist bereits gut unterwegs. Der erste Schritt war im Jahr 2000, mit dem SAPV-Team die Betreuung der Menschen in ihrem häuslichen Umfeld zu ermöglichen, wenn auch zunächst nur im westlichen Main-Kinzig-Kreis. Hinzu kam später der Ambulante Hospizdienst, mit dem die psychosoziale Betreuung durch Ehrenamtler abgedeckt wird. Neuen Schwung in die Palliativ- und Hospizbewegung im gesamten Main-Kinzig-Kreis brachte 2014 die Gründung des Förderkreises Hospiz Kinzigtal e.V. in Gelnhausen. Das SAPV-Team konnte seinen Wirkungskreis auf den östlichen Teil des Main-Kinzig-Kreises ausdehnen und in der Gelnhäuser Altstadt wurde 2017 das Hospiz St. Elisabeth Kinzigtal eingeweiht. 2019 kam die Palliativstation der Main-Kinzig-Kliniken in Schlüchtern hinzu.
Die beiden stationären Einrichtungen können dabei auf einen Personalschlüssel zurückgreifen, der deutlich über den personellen Möglichkeiten von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen liegt. Bei den Hospizen werden von den Kostenträgern ganz gezielt nur 95 Prozent getragen, um gewinnorientierte gewerbliche Anbieter aus diesem sensiblen Bereich fernzuhalten. Die Deckungslücke schließt hier der Förderkreis Hospiz Kinzigtal mit einem jährlich höheren fünfstelligen Betrag.
Privatisierung in all diesen Einrichtungen wäre Susanne Simmler ein Dorn im Auge: „Die soziale Infrastruktur muss von der öffentlichen Hand getragen werden.“
Zu dieser Podiumsrunde hätte natürlich auch ein Vertreter der Kostenträger, also der Krankenkassen, gehört. Doch bei seinen diversen Einladungsversuchen hatte Prof. Dr. Kaesemann nur Absagen erhalten. Er bedauerte das Fehlen eines zunächst vom Förderkreis Hospiz Kinzigtal bereits angekündigten Sprechers für die Krankenkassen, wollte das aber nicht weiter kommentieren.
Der Weg in das Palliativ- und Hospiznetz führt meist über den behandelnden Arzt. „Wir informieren verstärkt die Hausärzte im Ostkreis über die vielfältigen Möglichkeiten nach dem Aufbau unserer Außenstelle in Bad Soden-Salmünster“, betonte Dr. Lautenschläger. Auch der Pflegestützpunkt des Main-Kinzig-Kreises ist ein kompetenter Ansprechpartner in all diesen Bereichen. Und natürlich findet sich auf den Internetseiten aller ambulanten und stationären Dienste umfassende Information. Gut sei es, betonten alle Diskutanten, stets möglichst früh Kontakt aufzunehmen.